Preisträger 2019

Initiative "Sozialzentrum Albersloh"

Text der Laudatio:

Seit 2006 verleiht der Verein „Woche der Brüderlichkeit in Sendenhorst e.V.“ eine Plakette, entsprechend seiner Satzung „als öffentliche Anerkennung für bürgerschaftliches Engagement für Versöhnung, Toleranz und ein friedliches Miteinander“. Die Plakette ist benannt nach dem Bildhauer und Sendenhorster Ehrenbürger Bernhard Kleinhans. Gestaltet wird sie als Unikat von seinem Sohn Basilius Kleinhans, dem wir bei dieser Gelegenheit wieder einmal ganz herzlich für diese seine Unterstützung danken.

Wer in Sendenhorst oder Albersloh nach solch einem „bürgerschaftlichen Engagement“ sucht, stößt auf eine erstaunliche, bewundernswerte Vielfalt von einzelnen Personen, von Gruppen, Verbänden und Initiativen. Wir erinnern an die Empfänger der bisher verliehenen Plaketten: Die Tschernobyl-Aktion Albersloh, der Deutsch-Ausländische Freundeskreis, die Aktion „Kinder helfen Kindern“, Bischof Martin Happe, die Schulpartnerschaft der Realschule St. Martin, das Ehepaar Book, die Aktion „Nyang´oma“, die Kindergruppe Sendenhorst, die Aktion „Freiwilliges Soziales Jahr“, die Laumann Stiftung, Herrn Hans Pollok, das Ehepaar Omland, die Aktion „Beweggründe“.

Und nun: Wer wird in diesem Jahr geehrt?

Es liegt schon einige Jahre zurück, dass in Albersloh eine kleine Gruppe von Frauen und Männern bei privaten Treffen oder bei Spaziergängen an der Werse gemeinsam die Idee entwickelte und diskutierte, im Dorf einen Raum zu schaffen für Veranstaltungen, Ausstellungen, Feste, Musik, kurz: für ein soziales Miteinander. Dieses Zentrum sollte eine Struktur haben, die den Ideen, Wünschen, Bedürfnissen der Menschen vor Ort Raum gibt für ihre unterschiedlichen Interessen und Anliegen, vor allem aber auch für ihre eigenen Angebote.

Diese Gruppe, die eine solche Idee als „Sozialzentrum Albersloh“ in eigener, privater Initiative (getragen von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen) in die Tat umsetzte und seit Jahren erfolgreich verantwortet, wollen wir heute mit der Plakette auszeichnen: Heinz Wenker und Eva Rüschenschmidt, Brigitte Denker, Annette Dimmer-Deppe und Dr. Rainer Maria Deppe sowie  Adi Kemper.

Solch ein Unternehmen braucht natürlich einen Raum, einen Ort im Dorf, möglichst fußläufig zu erreichen. Dem großen Enthusiasmus „Wir wollen das machen!“ kam der Zufall zu Hilfe: Die Räume vom ehemaligen Gasthaus „Fels“ im Ortszentrum von Albersloh sollten frei werden!

Es galt nun, sich mit ganz pragmatischen Fragen zu befassen: Wer soll Mieter sein und den Mietvertrag abschließen? Welche Rechtsform ist für ein solches Sozialzentrum nötig und wie ist die Finanzierung möglich?

Auf alle Fragen wurden Antworten gefunden. 2012 gründeten drei Vertreter der Gruppe eine „haftungsbeschränkte Unternehmensgesellschaft“. Solch eine Rechtsform ermöglicht es, mit geringem Eigenkapital und geringem persönlichen Risiko ein erfolgversprechendes Unternehmen zu starten, in diesem Fall nicht, um einen finanziellen Gewinn zu erzielen, sondern für eine sogenannte. „Sozialrendite“. Die wirtschaftliche Grundlage beruht bis heute, ohne öffentliche Mittel, auf eigenen, ehrenamtlichen Arbeitsleistungen, auf Spenden, Kostenbeiträgen für besondere Veranstaltungen und auf regelmäßigen privaten Zuwendungen.

Das Konzept „Raum geben“ bedeutete nun zuerst, die alte Gastwirtschaft zu renovieren, in Eigenarbeit und mit örtlichen Helfern. Neben der notwendigen Modernisierung wurde möglichst viel von der ehemaligen Einrichtung übernommen, insbes. der komplette originale Thekenbereich, heute wie in früheren Zeiten das gemütliche kommunikative Zentrum.

Danach konnte die Umsetzung des Konzepts beginnen. Wir zitieren aus einem Aushang am Sozialzentrum: „Wie friedlich, fair und vielfältig wir miteinander leben, entscheidet sich zuallererst in der eigenen Nachbarschaft, im Dorf, im Stadtteil – da, wo Menschen sich persönlich begegnen.“ Was lag näher, als zum Start zu einem ersten „Bürgermahl“ einzuladen!

Eine kleine Auswahl von Aktivitäten aus den folgenden Jahren zeigt, wie sehr und nachhaltig es gelungen ist, in bürgerschaftlicher Verantwortung „Raum zu geben“ für ein attraktives, vielfältiges, multikulturelles Miteinander, z. B. durch Märkte und Ausstellungen; durch musikalische Abende und zahlreiche Einzelveranstaltungen, etwa zum Klimawandel oder -lokal- zur Verkehrssituation in Albersloh; durch gemeinsames Kochen, Backen und durch Essenseinladungen; durch Vorträge, Lesungen, Veranstaltungsreihen, regelmäßige Frauenfeste und ein Ferienprogramm für Kinder.
Alles wird unterstützt durch umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit, durch die lokale Presse und auch durch eine Designerin aus dem Iran, die Einladungen und Plakate gestaltet.

In 2015/16 kamen auch nach Albersloh Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, für das Team des Sozialzentrums wie auch für eine ganze Reihe anderer Gruppen in Sendenhorst ein neuer Schwerpunkt der Arbeit. Die heimatlosen, verunsicherten, teils traumatisierten Menschen erhielten Hilfs- und Informationsangebote. Vor allem gemeinsame Aktionen schufen einen Ort der Geborgenheit.

So wurde miteinander gekocht, gebacken, gegessen, musiziert und getanzt. Angeboten wurden u.a. auch ein Keramikworkshop mit Ausstellung, eine Fahrradwerkstatt, öffentliche Veranstaltungen zu ihrer politischen Situation, zum Thema Menschenrechte bis hin zu einer Lesung in deutscher Sprache, in der einige junge syrische Flüchtlinge ihre ganz persönliche, bewegende Geschichte vorgestellt haben. Sie mussten dabei anonym bleiben, wegen ihrer eigenen Sicherheit und um ihre in Syrien lebenden Familienangehörigen nicht zu gefährden.

Vielfach genutzt haben die neu Eingetroffenen das Sozialzentrum auch für eigene Wünsche, etwa für private Anlässe, familiäre Feste, Treffen aus Anlass einer Hochzeit oder eines Todesfalls. Überaus erfolgreich war das Angebot für Flüchtlingsfrauen und -mädchen, etwa, an einem internationalen Frauenfest teilzunehmen, und insbes., im „Fels“ allein, also ohne Männer, zusammen zu kommen. In diesem geschützten Raum konnten sie den Schleier ablegen und sich treffen zum Reden, Kochen, Essen, Singen, Tanzen.

So ist durch das Engagement der sechs Gründungsmitglieder Eva Rüschenschmidt und Heinz Wenker, Brigitte Denker, Annette Dimmer-Deppe und Dr. Rainer Maria Deppe sowie Adi Kemper wie auch weiterer Helferinnen und Helfer, mit dem Sozialzentrum Albersloh ein Begegnungsort ganz besonderer Art entstanden.

In öffentlicher Anerkennung des Mutes, in privatem Engagement dies ins Leben zu rufen, als Dank für ihre in bereits sieben Jahren geleistete Arbeit und als Ermunterung für ihre Weiterarbeit verleihen wir den verantwortlichen Initiatoren die diesjährige Bernhard-Kleinhans-Plakette.

Wir gratulieren mit den besten Zukunftswünschen!

(Gerhard Bachteler und Herbert Ulonska)

Arbeitskreis Woche der Brüderlichkeit in Sendenhorst
Sendenhorst, am 10. März 2019

Hier können Sie den Text der Dankesworte der Initiative nachlesen.