Preisträger 2016

Hans Pollok


Text der Laudatio:

Wer fährt schon mit dem LKW rund 1000 km nach Kreuzburg in Oberschlesien oder nach Lemberg in der Ukraine, um tonnenweise Apfelsinen und Lebensmittel dorthin zu bringen, Dutzende von Krankenbetten oder Hunderte von Pampers-Paketen? Für die Verteilung vor Ort sorgten Vertrauenspersonen. Die Reaktion der Empfänger: „Sie schickt der liebe Gott!“

Begonnen wurde mit solchen Fahrten 1982. Politische Veränderungen bestimmten den Ostblock. In Polen herrschte damals noch das Kriegsrecht. Diese Fahrten auch durch die damalige DDR vor der Wende 1989 zu unternehmen, war ein unkalkulierbares Risiko. Für solche Wagnisse bedurfte es einer starken Motivation. Ein Hinweis auf die Not und die grundlegende Mangelsituation in Oberschlesien kam aus der St. Ludgerus-Gemeinde Albersloh, von Pfarrer Egon Dirks, der selbst aus Danzig stammte. Angesichts dieser Not gab es nur eines: „Nicht wegsehen, sondern hinsehen und helfen!“ Ein starkes Motiv für praktizierte Versöhnungsarbeit!

Seit 2006 verleiht der Trägerverein „Woche der Brüderlichkeit Sendenhorst e.V.“ jährlich, in Abstimmung mit Familie Kleinhans, die „Bernhard-Kleinhans-Plakette“. Damit zeichnen wir beispielhaftes bürgerschaftliches Engagement für Versöhnung, Toleranz und friedliches Miteinander aus. In diesem Jahr wollen wir mit der Plakette den Mann auszeichnen, der die beschriebenen Fahrten vor über 30 Jahren initiiert und inzwischen über 70 solche Hilfstransporte organisiert und selbst begleitet hat: Herrn Hans Pollok aus Albersloh. Seine bis heute ungebrochene Motivation erklärt sich wesentlich aus seiner Biographie:

1939 wurde er in der Nähe von Kreuzburg in Schlesien geboren. Als Folge des 2. Weltkriegs gehört dieses Gebiet seit 1945 zu Polen. Die deutschsprachige Bevölkerung floh oder wurde vertrieben. Diese abenteuerliche und lebensbedrohende Flucht mit Mutter und Bruder begann am 18. Januar 1945 und hat den siebenjährigen Jungen entscheidend geprägt. Dieses „Noch ein-mal davon gekommen zu sein“, lässt dankbar sein, - bis zum heutigen Tag. Seine eigenen Erlebnisse von elementarer Not auf der 39-tägigen Flucht und später das Wissen um die Not in der ehemaligen Heimat gaben den Anstoß zum Helfen, was er selbst so erklärt: „Es kam von innen heraus.“

Herr Pollok, heute Inhaber und Leiter einer Fahrschule in Albersloh, hat inzwischen ein weit gespanntes Informationsnetz, was er auch dem hohen Bekanntheitsgrad seiner Person und seiner Aktionen verdankt. Alles unterstützt durch Spenden, vor allem aber praktisch durch hiesige Privatleute und Firmen sowie durch zahlreiche Helfer aus Albersloh, aus der Region und natürlich auch an den Zielen. Zentraler Zielort ist die ehemalige Heimat Kreuzburg in Schlesien, heute eine Stadt mit ca. 25000 Einwohnern, ca. 80 km östlich von Breslau. Dazu auch Orte in der Umgebung wie die Stadt Oppeln, Guttenberg, Schweidnitz, Jauer, Glatz/Riesengebirge. Weitere Fahrten gingen nach Lemberg in der Ukraine.

Dorthin sollte die persönliche Hilfe gehen, gezielt für konkrete Projekte und unmittelbaren Bedarf. Dabei blieb er als Helfer stets zurückhaltend und suchte weder Öffentlichkeit noch Presse oder Fernsehen. Deswegen gibt es von den vielen Unternehmungen nur wenige, eher zufällig entstandene Bilder aus verschiedenen Jahren und von verschiedenen Fahrten. Wesentlich waren ihm nicht die Dokumentation, sondern die Aktion.

Aus der Renovierung oder Neuausstattung von Heimen und Kliniken in Deutschland, z.B. auch aus dem St. Josef-Stift in Sendenhorst oder dem Psychiatrischen Landeskrankenhaus in Wiesloch bei Heidelberg, konnte eine große Zahl von Betten, Schränken und sonstigem Krankenhausinventar nach Schlesien gebracht werden. Eine wirkliche Großaktion gab es, als das ehemalige Altenheim Ägidii-Haus in Münster voll-ständig neu ausgestattet werden musste und gleichzeitig in der Nähe von Warschau ein Altersheim mit 107 Zimmern neu errichtet wurde. Das Heim in Münster wurde komplett geräumt: Liegen, Krankenbetten, Stühle, Tische, Schränke, Büroeinrichtung, bis hin zu Waschbecken und Heizkörpern, und nicht zuletzt das gesamte Inventar der Kapelle! Alles wurde in Albersloh zwischengelagert, schließlich mit 15 LKW nach Schlesien transportiert und mit polnischen Helfern ausgeladen. Die Einweihung wurde groß gefeiert, selbstverständlich in Anwesenheit von Herrn Pollok.

Daneben organisierte Herr Pollok auch „kleinere“, aber nicht weniger bedeutende Hilfsaktionen. So wurden z.B. in 1991 vom Kreis Warendorf 4 Kranken- bzw. Rettungswagen ausgemustert. Herr Pollok übernahm sie, ließ sie auf seine eigenen Kosten vollständig neu ausstatten und überführte sie nach Kreuzburg, wo sie dem Chefarzt des Krankenhauses übergeben wurden, im Beisein von Bürgermeister, Landrat und Geistlichkeit.

Noch ein Ereignis, das man, wenn es nicht einen bitterernsten Hintergrund hätte, fast als Anekdote bezeichnen könnte: Bei einem gewaltigen Oder-Hochwasser mit 12 Meter über dem Normalstand, klingelte mitten in der Nacht bei Herrn Pollok das Telefon: Hilferuf des Bürgermeisters aus Oppeln an der Oder: Wir haben nicht genügend Gummistiefel für die Bergungsarbeiten. So groß war das Vertrauen in die Hilfsbereitschaft und die Hilfsmöglichkeiten von Herrn Pollok. Und die Hoffnung wurde nicht enttäuscht: Noch in der Nacht konnte er mit Helfern aus Albersloh und der Feuerwehr Sendenhorst/Albersloh organisieren, dass 250 Paar Gummistiefel bereitstanden und 30 wetterfeste Regenjacken. Diese wurden sofort abtransportiert und auf halbem Weg von einem dortigen, entgegen gekommenen Fahrzeug übernommen.

Bei jeder Fahrt, bei jeder Hilfslieferung ergaben sich neue persönliche Begegnungen, unzählige Kontakte, offizielle und private, zu Menschen in Schlesien, eng, freundschaftlich, vertrauensvoll. Der persönlichen Dankbarkeit der vielen Empfänger folgten auch offizielle Würdigungen:

  • 1999 verlieh ihm der damalige Bundespräsident Johannes Rau den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.
  • 2001 wurde er feierlich mit einer großen Urkunde zum Ehrenbürger der Stadt Kreuzburg ernannt.
  • Kardinal Glempp, bis 2009 Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz, lud den evangelischen Hans Pollok persönlich zur Eucharistie und zur Teilnahme an der Kommunion ein.

Spät, aber keinesfalls zu spät, soll nun auch in seiner Heimat Sendenhorst-Albersloh die Auszeichnung durch die Bernhard-Kleinhans-Plakette erfolgen in Würdigung seines jahrzehntelangen Engagements und seines hohen persönlichen Einsatzes für Versöhnung und friedliches Miteinander von Menschen und Völkern.

(Gerhard Bachteler und Herbert Ulonska)


Arbeitskreis Woche der Brüderlichkeit in Sendenhorst
Sendenhorst, am 6. März 2016