Preisträger 2010

Hayovel Junior High School Mevasseret-Zion, Israel
Realschule St. Martin, Sendenhorst

 

Text der Laudatio:

Die diesjährige „Woche der Brüderlichkeit“ in Sendenhorst steht unter dem Motto „Frieden – mehr als eine Utopie“.

Dieses Motto zeigt einen vorsichtigen Optimismus bezüglich der Ziele, die alle „Wochen der Brüderlichkeit“ in Sendenhorst und darüber hinaus in ganz Deutschland haben, seit sie vom Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit 1952 ins Leben gerufen wurden: Frieden und Verständnis zwischen den Religionen und den verschiedenen Völkern zu schaffen. Es geht darum, Brücken zu schlagen, Wege zueinander zu finden, Gräben zuzuschütten und im anderen den Menschen zu sehen, etwas Neues von ihm zu erfahren und ihn zu akzeptieren. Immer, wenn Menschen ein besonderes Ziel erreichen wollen, ist es wichtig, den Weg zu wagen und zwar in kleinen Schritten. David Ben Gurion, der visionäre Gründer des Staates Israel, sagte einmal „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“. Aber trotz aller Visionen wusste Ben Gurion, Wunder fallen nicht vom Himmel, Wunder stehen im Zusammenhang mit Menschen, die sich gemeinsam auf den Weg machen, die ein gemeinsames Ziel haben.

In diesem Jahr verleiht der Arbeitskreis der Woche der Brüderlichkeit in Sendenhorst zum fünften Mal die Bernhard-Kleinhans-Medaille an eine Gruppe von Menschen, die „durch Zeichen der Versöhnung friedensstiftend wirken“. Bernhard Kleinhans, Ehrenbürger Sendenhorsts, hat in seinem Schaffen immer wieder seine christliche Grundüberzeugung zum Ausdruck gebracht. Das menschliche Miteinander, der Umgang mit Gottes Schöpfung und das Eintreten für Frieden und Völkerverständigung prägen nicht nur das Werk des Künstlers sondern auch sein Leben. So wird die nach ihm benannte Medaille folgerichtig an Menschen verliehen, die für eben diese Grundüberzeugungen eintreten.

Eine Medaille hat – wie der Volksmund sagt – immer zwei Seiten und genau das trifft auf die Gruppe der diesjährigen Preisträger zu. Die Ehrung gilt der Schulpartnerschaft zwischen der Hayovel Junior-High-School in Mevasseret-Zion und der Realschule St. Martin in Sendenhorst.

Nach den notwendigen Vorbereitungen in den Jahren 1998/99 wurde die Partnerschaft im Jahre 2000 offiziell begründet und besteht nunmehr seit zehn Jahren mit großem Erfolg. Über 200 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgangsstufen 9 und 10 beider Schulen haben am Austausch teilgenommen und gemeinsam beeindruckende Projekte erarbeitet. Das oben erwähnte Motto „Frieden – mehr als eine Utopie“ wird hier exemplarisch umgesetzt.

Die beiden hauptverantwortlichen Initiatoren und Motoren der Partnerschaft, Ilana Ben Sasson und Gerd Wil-pert, betonen, Frieden ist nur möglich, wenn ich den anderen kenne und ihn als Menschen akzeptiere. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch die Schülerprojekte

  • “Gemeinsam in Sachsenhausen“
  • “Einen Johannisbrotbaum pflanzen“
  • “Mit meinem Koffer...“

Ich möchte diese Projekte nicht im einzelnen beschreiben, denn sie sind in beiden Schulen öffentlich präsentiert worden, ich möchte die Reaktionen zweier Schüler aus Sendenhorst und Mevasseret-Zion im Anschluss an den Besuch in Sachsenhausen zitieren:“Ich habe mich so für Deutschland geschämt. Ich hatte Angst, mich nicht mehr mit den israelischen Schülern zu verstehen..., doch im Gegenteil, es hat uns alle nur noch mehr zusammengeschweißt. Wir verstehen uns jetzt noch besser und ich bin froh darüber“.

“To sing the anthem of Israel on the land of Germany where so many Jews were murdered was the climax for me in the visit, and I think that I was not the only one who felt that way. In spite of all the sorrow and the pain, I felt a lot of appreciation and love towards the Ger-man friends. They comforted, hugged und cried with us and helped us make that experi-ence even more touching und significant. The fact that I was hugged and comforted in German’s arms in the middle of a concentration camp was a situation that could not even go through my mind before the visit, but now it seems natural to me.”

Höhepunkte im Rahmen der Partnerschaft waren Begegnungen mit israelischen und deutschen Persönlichkeiten, die sich aus ihrer Lebenserfahrung heraus für Frieden und Völkerverständigung einsetzen oder eingesetzt haben:

  • David Grossmann, israelischer Schriftsteller, dessen Tochter Ruth Schülerin der Hayo-vel Junior-High-School war,
  • Aharon Appelfeld, israelischer Schriftsteller, Zeitzeuge und Bürger von Mevasseret-Zion
  • Chana und Uri Aloni, Überlebende des Holocaust. Uri, in Essen geboren, baute im Ghetto-Fighters-House, Lohamei Haghetaot, gegen vielfältigen Widerstand eine deut-sche Abteilung auf
  • Schwester Johanna Eichmann, als Jüdin geboren, ehemalige Oberin des Ursulinen-Klosters in Dorsten, gründete dort das jüdische Museum Westfalen.

Die erfolgreiche Arbeit beider Schulen wurde mehrfach preisgekrönt, so z.B. durch die Stiftung “Erinnern, Verantwortung, Zukunft“ in Berlin und durch das Land Nordrhein-Westfalen. Ein besonderes Erlebnis war die Einladung von je zehn Schülerinnen und Schülern beider Schulen zu einem Empfang bei Bundespräsident Köhler im Jahre 2005.Die Gestaltung einer Schulpartnerschaft auf dem beschriebenen Niveau ist ohne ein positives Umfeld nicht möglich. Die besonderen Verdienste der israelischen Projektleiterin Ilana Ben Sasson und des Rektors der Realschule St. Martin, Gerd Wilpert, habe ich schon erwähnt. Großen Anteil am Erfolg hat auch die Schulleitung in Mevasseret Zion: Liat Tirza, die heute ebenfalls hier anwesend ist, und ihre Vorgänger. Von eminenter Bedeutung ist aber auch die Unterstützung durch die Lehrerkollegien beider Schulen, durch die Elternschaft sowie durch die Schulträger und die politischen Gremien beider Städte.

Entscheidend aber ist das Engagement, die Neugier und die Offenheit der Schülerinnen und Schüler. Es erweist sich, dass sie in einem Alter sind, in dem die Weichen für den charakterlichen Reifungsprozess gestellt werden. Sie sind bereit, sich neben der Schule zusätzlich in Projekten zu engagieren und sprechen noch Jahre nach ihrer Teilnahme von einem tiefgreifenden und prägenden Schulerlebnis, das bei einigen zu intensiven Freundschaften mit ihren israelischen Partnern und deren Familien geführt hat.

“Frieden – mehr als eine Utopie“

Frieden ist möglich wie das Beispiel der Schulpartnerschaft zwischen der Realschule St. Martin und Hayovel Junior-High-School zeigt. Ich gratuliere den beiden Schulen zur Auszeichnung, dem Arbeitskreis zur Preisträgerentscheidung und den Gesellschaften in Israel und Deutschland zu Schülern und Lehrern, die durch ihr Engagement und ihre Arbeit ein Zeichen für Frieden und Völkerverständigung setzen. Shalom!

Theo Schwedmann, Bezirksregierung Münster
Sendenhorst, am 7. März 2010